Dorsten-Wulfen, Barkenberger Zentrum

Orgel von Gustav Steinmann (II-12), 1972

Die Steinmann-Orgel im Barkenberger Zentrum, Wulfen-Dorsten

Bericht zur Begehung vom 31.1.2023

I. Angaben über das Objekt: Technisches Denkmal: Orgel von 1965/2018
(Steinmann, II-12)

Talaue 68,46286 Dorsten

Befund: Pfeifenorgel mit zwei Manualen

ältere Translozierung (?), gebrauchter Zustand

Im Detail: Wir sahen eine voll spielfähige Pfeifenorgel mit mechanischer Spiel- und Registertraktur, die in ihren älteren Beständen auf ein Instrument der Fa. Steinmann/Vlothe zurückgeht, welches 1972 auf einer Empore installiert wurde.

Das geostete Gotteshaus wurde 1972 geweiht (Architekt Toivo Korhonen, Helsinki, als Preisträger nach verdecktem Wettbewerb 1965: Grundriss auf einem Dreieck; unter Denkmalschutz seit 2022 [innerhalb einer Planstadt der 1960er Jahre mit Trennung von Autoverkehr und Fußgängern]) und bietet als Multifunktionsraum Platz für rund 400 Sitzplätze.

Der in holländischem Klinker gearbeitete Innenraum (Sichtmauerwerk und Fußboden) wird von einer kühnen Holzdecke aus Holzleimbindern bekrönt.

Die sich auf einem dreieckigen Grundriß befindende raumhohe Südecke nimmt eine gemauerte Empore auf.

Auf dieser Empore steht das Instrument der Fa. Steinmann/Vlotho, was dort mutmaßlich 1972 installiert wurde.

Mit einer Länge von ca. 35 m, Breite von 17,5 m und einer Höhe von ca. 7,60 m (rechnerische 306,25 qm für den dreieckigen Teil + 612,5 für den rechteckigen Teil = 918,75 qm * 7,60 m Raumhöhe = 4961,25 m³ Raumvolumen brutto; rechnerische Nachhallzeit nach Sabine Nachhallzeit RT60 = k · V / A = 0,161 · V / A beträgt 3,5 s) angenehm trockenem Nachhall des Kirchenraumes, werden gleichmäßig alle Frequenzen der Orgel absorbiert. Der geklinkerte Raum in Wohnzimmeratmosphäre fügt dem Klang der Orgel weiter nichts hinzu, die von allen Plätzen im Kirchenraum aus gut zu hören ist.

Der Prospekt aus sieben Feldern ist unterteilt in die Pedaltürme links- und rechts und einem Mittelbau, der Rückpositiv (Manual I) und im gleichen Gehäuse das Hauptwerk (Manual II) beherbergt.

Lagerwerk und Windladen sind solide gearbeitet und stammen noch aus der Ära der Werkstatt Steinmann, die vor der dann später regelmäßig zur Verwendung kommenden Stahlkonstruktion für die Vertikalpfosten liegt. Diese wurden von Steinmann aus Kosten- und Praktikabilitätsgründen seit 1965 häufig verwendet, was den Schluß naheliegt, dass die Windladen und Teile des Pfeifenwerks älteren Datums (vor der Kirchweihe 1972?) sind.

Im 2016 erfolgten Umbau wurde der Pommer 16‘ des Pedals gegen einen Subbaß 16‘ getauscht, was eine Verführung mit Kondukten zur Windversorgung nach sich zog. Auch wurde bei dieser Gelegenheit ein vakanter Registerzug für das Pedal mit Pfeifen bestückt, einem Cornopean 8‘ (von Walcker), der ganz wunderbar rund der Orgel ein ordentliches Fundament verleiht und zu den schönsten Registern des Instruments gehört.

Barkenberg Gemeindezentrum, Orgel von Gustav Steinmann

eingeweiht 1972 (?)

I. Rückpositif, C – g“‘

II. Hauptwerk, C – g“‘

 

1. Bordun 8’

2. Rohrflöte 4‘

3. Oktave 2’

4. Quinte 1 1/3‘

1. Rohrflöte 8‘

2. Praestant 4’

3. Cornettino 2 fach (ab b0)

4. Mixtur 4 fach

 

Pedal, C – f‘

 

 

1. Subbaß 16’

2. Prinzipalbaß 8‘

3. Cornopean 8’

4. Choralflöte 4’

Spielhilfen

I-II (Rückpositiv an Hauptwerk)

I – P (Hauptwerk an Pedal)
II – P (Rückpositif an Pedal)

 

Der Spielschrank in der 3,50 m breiten Orgel misst 1,30 in der Breite, ist 0,62 m tief und wird durch zwei je zweiteilige Klappen verschlossen.

Die Manualtasten haben im Hauaaptwerk 0,9 cm Gang, im Rückpositif 1,1 cm.

Alle Koppeln ziehen durch. c’ hat im Tastengang eine Reibung in der Traktur.

 

Der Prospekt wirkt zwar „angegriffen“, aber er ist dennoch in einem durchaus befriedigenden Zustand. Die Haften der Prospektpfeifen sind fest.

Die Hauptwerksmixtur repetiert bei c=, cis’ und c’‘.

Die Windversorgung ist für ein dem Neobarock sich verpflichtend fühlenden Instrument dieser Größe so gerade noch ausreichend. Im Rückpositif machen sich leider Windturbulenzen bemerkbar, die nicht dem Baujahr anzulasten sind. Sie entsprechen eher den gewählten Ventilgrößen und Proportionen der Windladen bzw. den windführenden Zulieferern, die als entsprechend mager gelten dürfen.

Einige Pfeifen im Cornettino wurden bei Stimmarbeiten nicht an die korrekte Stelle zurückgestellt.

Vom Klang Das Instrument wirkt erstaunlich rund, entbehrt aber einer Tragfähigkeit, besonders im Baß. Die ursprüngliche Intonation wurde augenscheinlich nicht verändert und wurde auch bei der Ausreinigung 2016 so belassen. Der Austausch des Pommer gegen den Subbaß 16‘ im Pedal in 2018 fügte der Orgel zweifelsohne mehr Fundament zu, doch für den großen Raum mit seinem 4961 m³ Raumvolumen sind die Mensuren völlig unzureichend.

Hier ist die Königin der Instrumente von allem Anfang an eine eher schmallippige Tochter, deren Einsatzgebiet sich auf kammermusikalische Aufgaben beschränkt. Große Bachwerke kann man ihr leider aufgrund der schwindsüchtigen Windversorgung nicht zumuten.

Der Cornopean 8‘ stammt aus einer historischen Walckerorgel und läßt die eigentliche Klangpracht einer Orgel wohl erahnen, wozu das Instrument jetzt allerdings keine Brücken zu bauen vermag.

Fazit Das vorhandene Instrument ist kein Museumsstück und wird es auch nicht werden.

Vorschlag des Orgelsachverständigen

Die Bauherrin will das Instrument veräußern.[1] Sie kann das Instrument auf dem Gebrauchtmarkt für geschätzte 0,- bis 5.000,- EUR preisgeben, bei Übernahme der Abbaukosten durch den Käufer.

Sollte das Instrument keinen Käufer finden, so lassen sich für die Zinnpfeifen entsprechende Altmetallerlöse erzielen:

a) Im Pfeifenbau als Rohstoff z.B. anbieten der Pfeifenwerkstatt Jens Klein, L & J KLEIN Orgel-Metallpfeifenbau, Schachter Straße 19, 34379 Calden, Tel. +49 (0) 5674-18 99, E-Mail: j.klein-orgelbau@t-online.de

b) im Altmetallhandel bei Abholung mit geeichter Waage

(zur Zeit 29.515,- US-$ /je Tonne an der London Metal Exchange, siehe auch https://www.lme.com/en/Metals/Non-ferrous/LME-Tin#Trading+day+summary, besucht am 1.2.2023)

  1. Das fahrbare Positif in einem anderen Kirchenraum ist Meisterstück des Orgelbaumeisters Ludger Breil, Dorsten und sollte daher erhalten werden. Bitte beachten: Verkauf oder Verbingung des Instruments an einen anderen Ort bedarf der landeskirchlichen Genehmigung durch den Orgelsachverständigen. Die Truhenorgel von Bruno R. Döring, Neukirchen aus 2001 ist im Privatbesitz des Freundeskreises der Kirchenmusik und willfähriger Begleiter für konzertante Continuoaufgaben. Die während der Begehung aufgefundenen und wieder angebrachten Türen zum Schutz der Prospektpfeifen sollten zur sachgemäßen Lagerung des Instruments auch genutzt werden.