Oerlinghausen, Ev. Alexanderkirche

Begehung und klanglicher Befund
vom 19.5.2020, 12-13 Uhr.

I. Angaben über das Objekt: Technisches Denkmal: Orgel von 1973 (Gustav Steinmann)

33818 Oerlinghausen, Küstertwete

Befund: historische Pfeifenorgel mit zwei Manualen

Zustand nach Schimmelpilzbehandlung, Ausreinigung und Nachintonation

Im Detail: Wir sahen eine spielfähige Pfeifenorgel mit mechanischer Spiel- und Registertraktur, die für die Alexanderkirche konzipiert und dort 1973 von der Werkstatt Gustav Steinmann, Vlotho unter Verwendung älteren Pfeifenmaterials und einem historischen Prospekt (Bernd Christoph Hattenkerl, Bielefeld) von 1688 errichtet wurde und Platz findet auf einer 1867 erstellten Empore (Helmig, Oerlinghausen).

Das Instrument befindet sich an der westlichen Wand des nicht geosteten (um 22,5 Grad im Uhrzeigersinn verschobenen, am Hang einer aufgeschütteten Terrasse liegenden) dreijochigen Gotteshauses mit mit einer Länge von ca. 31 m, einer Breite von 16 m, einer Höhe von 11,40 m (= 5654 m³ Raumvolumen brutto; rechnerische Nachhallzeit nach Sabine Nachhallzeit RT60 = k · V / A = 0,161 · V / A beträgt 7,9 s) bei einem angenehmen Nachhall des Kirchenraumes, der gleichmäßig alle Frequenzen der Orgel absorbiert. Der spätgotische Raum veredelt den Klang der Orgel beträchtlich, die von allen Plätzen im Kirchenraum gut zu hören ist.

Der stumme Prospekt aus fünf Feldern zeigt Pfeifen eines Principal 8′. Im Untergeschoß befindet sich die Windversorgung und das Unterwerk (Manual II) dessen Schall an der dem Spieltisch gegenüberliegenden Seite durch senkrechte Schlitze (um der besseren Luftzirkulation wegen später angelegt) gut entweichen kann.

Im Untergeschoß der Orgel zum Spieltisch hin befinden sich keine Luftöffnungen.

Die für den Interpreten so wichtige Abhörmöglichkeit der Klangmischung von Hauptwerk und Unterwerk wird zwar auf diese Weise ermöglicht, aber sie wurde erkauft um den Preis eines Schimmelbefalls, infolge fehlender Luftzirkulation (plus Kondensatfeuchte und Substrat/Verstaubung/Anstaubung).

Nach Auskunft des Orgelbauers war die schwarz lackierte Holzwand hinter dem Notenpult am Spieltisch (vor der Begehung) denn auch vollflächig weiß von Schimmelpilz befallen. Dieser Schimmelbefall wurde nun mechanisch entfernt und die Oberfläche mit Yati (biozid wirkend durch Wasserstoffperoxid und Salicylsäure) gereinigt.

Vorschlag der Orgelsachverständigung

Die Tür links neben dem Spieltisch könnte mit zusätzlichen Luftöffnungen (ähnlich den bereits existierenden Luftöffnungen auf der dem Spieltisch gegenüberliegenden Seite) versehen werden, um so eine bessere Luftzirkulation zu ermöglichen.

Problematisch dabei bleibt jedoch die dann schwindende Abhörmöglichkeit der Balance der Teilwerke zueinander. Dem erfahrenen Interpreten und Hausorganisten würde dies sicher nicht zum Hindernis. Kritischer würde allerdings die Geräuschkulisse des Schleudergebläses, was bereits jetzt durch Rumoren negativ auffällt.

Schimmelbefall ist dann auszuschließen, wenn die Temperatur der Bauteiloberflächen immer (!!) über 12,6 Grad Celsius liegt und die Luftfeuchte nicht über 55 % rF steigt (unter 55 % rF trocknet das Schimmelpilzmycel ein).

Die Temperatur der Oberflächen in der Orgel nicht unter 12,6 Grad fallen zu lassen verhindert die Feuchtekondensation. Feuchte und Substrat sind allein der Nährboden für den Schimmelbefall.

Eine Querlüftung des Gotteshauses sollte nur bei entsprechenden Witterungsverhältnissen erfolgen (siehe beigefügte Kreuztabelle), um dauerhaft ein Überschreiten des Taupunkts (=Feuchtekondensation) durch Feuchteeintrag durch Gottesdienst- und Konzertbesucher entgegenzuwirken.

Wird die Kirche vor Veranstaltungen langsam aufgeheizt (Feuchtkontrolle?), so muß dennoch gewährleistet sein, daß es nicht zum „Kaltluftsee“ in der Orgel kommt, der die dann sicher einsetzende Feuchtekondensation mit nachgehendem Schimmelbefall begünstigen würde.

Empfehlungen der Orgelsachverständigung

Nach dem Orgelspiel alle Türen weit öffnen, um einen Luftaustausch und eine Anströmung aller Bauteile zu ermöglichen. Gegebenfalls die Holzwand hinter dem Notenpult innen in der Orgel mit einer alkalischen luftdurchlässigen Farbe hell streichen. Schimmel mag es stets dunkel. Ist er einmal vorhanden, braucht er zum Wachstum kein Licht! => besser Vorbeugen!

Vom Klang Das Instrument steht auf der zweiten Empore und ragt nahezu an die Kirchendecke heran, was der freien Klangabstrahlung bedingt zu gute kommt, allerdings der Klangverschmelzung sehr dienlich ist.

Der Klang ist ausgewogen, lebendig, nicht grundtönig (was er auch nicht sein muß) in keiner Weise vordergründig, aber dennoch präsent. Durch seine Aufstellung und Größe behält das Instrument stets eine kammermusikalische Note.

Dieser Klangeindruck gilt für alle zahlreichen Sitzplätze des Hauptschiffes.

Die Gesamtwirkung dieser westfälischen Orgel ist grundehrlich. Mit einem Barock nachempfundenen, teilweise historischen Pfeifenbestand, läßt sie sich durchaus überzeugend für konzertante Literatur und künstlerische Vorspiele nebst sicherer Führung des Gemeindegesang nutzen. Mit ihren 21 Registern (aufgrund der beengten Platzverhältnisse hinter dem historischen Prospekt) gehört sie zwar angesichts des sehr schönen spätgothischen Raums zu den eher kleineren Instrumenten, vermag aber ihren Aufgaben in Konzert und Gottesdienst, vor allem kammermusikalisch, durchaus zu genügen.

Alexanderkirche Oerlinghausen, Orgel von Gustav Steinmann

eingeweiht 1973 (?)

I. Hauptwerk, C – f“‘

II. Unterwerk, C – f“‘

 

1. Bordun 16’

2. Prinzipal 8’

3. Gedackt 8’

4. Oktave 4‘

5. Offenflöte 2‘

6. Sesquialtera III 2 2/3‘

7. Mixtur 4 fach

8. Trompete 8‘

1. Rohrflöte 8‘

2. Prinzipal 4’

3. Koppelflöte 4‘

4. Schweizerpfeife 2‘

5. Quinte 1 1/3‘

6. Scharff 3fach

7. Krummhorn-Regal 8‘

 

Pedal, C – f‘

 

 

1. Subbass 16’

2. Prinzipal 8‘

3. Metallgedeckt 8’

4. Gemshorn 4’

5. Rauschpfeife 4 fach

6. Fagott 16‘

Spielhilfen

II – I mechanische Manualkoppel

II – P (Unterwerk an Pedal)

I – P (Hauptwerk an Pedal)

Tremulant (in der Geschwindigkeit regulierbar)

Die Nachintonation jetzt ist in vollem Umfang gelungen. Die Substanz der Rohrflöte 8‘ (II. Manual Unterwerk) wurde durch eine behutsame Anpassung der Aufschnitte und Fußlochöffnung hin zu optimalen Arbeitspunkten der Pfeifen erreicht. Die Schweizerpfeife 2‘ spricht nun mit deutlich mehr Glanz an, ohne dabei, etwa durch eine allzu uniforme Intonation, jedes Kratzerchen in der Ansprache zu entfernen. Das gibt dem Instrument insgesamt mehr Gesicht und Charakter.

Der Tremulant wurde seiner ineffektiven Leerreise im Stösselgang beraubt und tremuliert jetzt zur wahren Freude des Musikliebhabers. Besser kann es nicht gehen.

Bei vollbesetzer Kirche gerät das Instrument zunehmend ins Hintertreffen. Dies liegt an den neobarock verstandenen Mensuren aus der Erbauerwerkstatt Gustav Steinmann, wobei die Labialpfeifen seinerzeit von der Pfeifenwerkstatt Gieseke, geliefert wurden oder aber aus sehr viel älteren Pfeifen bestehen, die teilweise auch älter als der Prospekt von 1688 sein dürften.

Leider stellt dieser Pfeifenbestand im Grunde ein Sammelsurium verschiedenster Ästhetiken und Konzepte dar, deren Begrenzung auch durch eine kunstfertige Nachintonation nicht überwunden werden konnten. Das Beste daraus gemacht zu haben, ist allein Verdienst der umsichtigen und erfahrenen Arbeit von Intonateur Christoph Keggenhoff (in Fa. Klais).

Ein Wartungsvertrag mit der die Ausreinigung und Nachintonation jetzt ausführenden Firma wird daher dringend empfohlen zur Bestandswahrung einer Königin der Instrumente im Weltkulturerbe.