Münster, Apostelkirche

Orgel von Paul Ott (III-38), 1968

Beitrag zur Orgel von Paul Ott in der Apostelkirche zu Münster

Begehung vom 17.1.2020, 9-12 Uhr.

I. Angaben über das Objekt: Technisches Denkmal: Orgel von 1968 (Paul Ott, III-38)

48143 Münster, An der Apostelkirche 5

Befund: historische Pfeifenorgel mit drei Manualen

starke Verstaubung, Schimmelbefall der Kategorie I im Bereich

der Registertraktur als Sekundärschaden, beginnend im Pfeifenwerk, manifest am Führungsschacht der Abstrakten (Wandfläche der Orgelrückwand)

Im Detail: Wir sahen eine eingeschränkt spielfähige Pfeifenorgel mit mechanischer Spiel- und Registertraktur, die für den Raum der Apostelkirche konzipiert und dort 1968 von der Werkstatt Paul Ott, Göttingen errichtet wurde.

Das Instrument befindet sich an der Westwand des geosteten Gotteshauses (dreischiffige Hallenkirche von acht Jochen Länge und vorgelagertem dreijochigem Hochchor mit Apsis) mit einer Länge von ca. 54 m und einer Höhe von 12,80 m auf einer 1956 errichteten Empore in zentraler Stellung.

Der Prospekt aus neun Feldern ist unterteilt in die separat stehenden Pedaltürme links- und rechts (C-Seite nimmt im Unterbau den Motor mit Schleudergebläse und Magazinbalg auf) und einem Mittelbau, das im Untergeschoß das Brustwerk mit Jalousien, im Mittelgeschoß das Hauptwerk und im Obergeschoß das Oberwerk beherbergt.

Apostelkirche Münster, Orgel von Paul Ott

eingeweiht 21.6.1968

I. Hauptwerk, C – g“‘

II. Oberwerk, C – g“‘

III. Brustwerk, C – g“‘

1. Quintade 16’

2. Prinzipal 8‘

3. Rohrflöte 8’

4. Oktave 4‘

5. Nasat 2 2/3‘

6. Oktave 2‘

7. Rauschquinte 2 fach

8. Mixtur 4-6 fach

9. Trompete 16‘

10. Trompete 8‘

1. Holzpfeife 8‘

2. Prinzipal 4’

3. Rohrflöte 4‘

4. Waldflöte 2‘

5. Sesquialtera 2 fach

6. Oktave 1‘

7. Scharff 3 – 5 fach

8. Dulzian 16‘

1. Holzgedackt 8‘

2. Blockflöte 4’

3. Prinzipal 2‘

4. Terz 1 3/5‘

5. Quinte 1 1/3‘

6. Zimbel 2 fach

7. Regal 8‘

Pedal, C – f‘

 

 

1. Prinzipal 16’

2. Subbaß 16‘

3. Oktave 8’

4. Pommer 8’

5. Oktave 4’

6. Nachthorn 2’

7. Mixtur 5 fach

8. Posaune 16’

9. Trompete 8’

10. Schalmey 4’

Spielhilfen

III – II (Brustwerk an Oberwerk)

III – I (Brustwerk an Hauptwerk)

II – I (Oberwerk an Hauptwerk)

II – P (Oberwerk an Pedal)

I – P (Hauptwerk an Pedal)

Vom Klang Das Instrument steht im letzten Joch und ragt mit Pedaltürmen und Oberwerk bis an das Gewölbe heran, das mit seinem zum Kirchenschiff hin gelegenen Gurtbogen einen erheblichen Teil seines Klangvolumens abfängt, resorbiert und den Schall als indifferent, ob seiner geringeren direkten Schallanteile nun im Raum als wenig durchsetzungsfähig erscheinend, klar bis klirrig in das lange Kirchenschiff entläßt.

 

Die auf diese Weise stets zurückhaltende Kraft des Instruments besteht aus einem Konglomerat nur bedingt sich mischender höherliegender Register (vor allem Aliquoten) die eine künstlerische Interpretation der Orgelmusik verschiedener Epochen und Provenienzen eingeschränkt ermöglicht.

Der fantastische gotische Raum veredelt den Klang der Orgel beträchtlich, die sich kaum bis zur Vierung durchzusetzen vermag. Von Choristen und Kantor wird von einer unsichtbaren Schallmauer berichtet, die den Klang der Orgel nur wenig in den Hochchor strömen läßt. Das Instrument ist akustisch nur noch wenig präsent.

Konzept der Orgel Die Orgel von Paul Ott ist ein Kind ihrer Zeit. Die niedrigen Winddrücke erlaubten dem Orgelbauer sämtlich auf Spieltrakturhilfen zu verzichten. Der Tastendruck ist auffällig leichtgängig, was der reduzierten Ventilgröße geschuldet ist. Sein Konzept für eine 38 registrige Orgel hinsichtlich ihrer Spielbarkeit ist damit aufgegangen. Allerdings wurde dieser Umstand erkauft durch eine gewisse Kraftlosigkeit, die hörbar nicht der vorgefundenen erheblichen Verstaubung geschuldet ist.

Mittlerweile ist die Orgel der Apostelkirche eine ältere Dame, der man ihren Zustand leider zunehmend anhört. Technisch und künstlerisch zwar gut gemacht, kann diese aber heutigen Erfordernissen nur bedingt genügen.

Vom Interpreten und Organisten verlangt das Instrument eine nachgerade hohe Transformationsleistung, um, bei eigentlich ausreichenden 38 Registern, befriedigende Klanglösungen zu finden.

Es fehlt ihr in ihrer neo-barock verstandenen Ästhetik an frischer Kraft und Durchsetzungsfähigkeit, die jedoch in ihrem empfindlichen Binnengeflecht der Balance der Teilwerke zu einander nicht einer poetischen Farbe entbehrt.

 

Die vom Organisten ins Spiel gebrachten möglichen klanglichen Aufwertungen durch Umintonation werden ausdrücklich gutgeheißen, wenngleich über ihre ästhetisch-künstlerische Anwendbarkeit zu einem späteren Zeitpunkt weitere Überlegungen entwickelt werden müssen, auch im Hinblick auf tragbare Lösungen.

Der Schimmelbefall Anläßlich unserer Begehung können wir den Schimmelpilzbefall bestätigen, wie er durch den die Orgel in Pflege haltenden Orgelbauer Herrn Sondermann in Fa. Schuke aufgefunden wurde.

 

Nach unserer Einschätzung handelt es sich um einen Schimmelbefall der Kategorie I als Sekundärschaden, der vor allem deutlich wird am Rahmen der Abstraktenschächte und weiteren Holzteilen.

Da die Verstaubung ein höheres Maß (Status 4 auf der Skala von 1-5) erreicht hat, findet der Schimmel – zusammen mit auftretender Kondensatfeuchte – ein vermutlich ideales Mikroklima in der Orgel vor, das ihm weitergehendes Wachstum und rasches Ausbreiten ermöglicht.

 

Um ein weiteres Ausbreiten des Schimmelpilzes mit nachfolgender gesundheitsbedenklicher Sporenexposition zu verhindern, muß die Feuchte an den Bauteiloberflächen konstant unter 55 % rF betragen (damit die Enzyme des Pilzmycels austrocknen).

Vorschlag der Orgelsachverständigung

 

Der Küster, Herr Ralf Schulte beschafft einen weiteren Datenlogger zur Feuchte und Temperaturmessung, der direkt im Hauptwerk hinter die Abstraktenkassette auf dem Stimmgang platziert wird und wertet diesen computergestützt aus. Wir brauchen verläßliche Daten, um eine Klimakontrolle des Raums auch von diesem Punkt zu gewährleisten.

Das Lüftungsverhalten wird bis zu weiteren Maßnahmen der Klimaregulierung und einer Ausreinigung der Orgel so angepaßt, dass nur noch nach der in der Anlage mitgegebenen Kreuztabelle gelüftet wird.

Ursache des Schimmelbefalls Zuletzt wurde die Westwand der Kirche restauriert. Ob diese Restauration die Bauteilfeuchte signifikant zu senken vermochte, darf gespannt erwartet werden. Auch eine bevorstehende Kürzung der Hecke auf dem benachbarten Grundstück könnte eine weitere Trocknung der Wand mit nachfolgender Bioresistenz und Klimastabilisierung in der Kirche bewirken.

Bei unserer Temperaturmessung der Materialoberflächen wurden an den vorderen Säulen der Orgelempore 17,4 Grad gemessen, an den hinteren Säulen (Höhe der Orgelrückwand) lediglich 15,2 Grad Celsius. Die Messungen erfolgten nach einer zwölfstündigen Aufwärmphase mit nicht mehr als 1 Grad Celsius/h Anstieg.

Im Gewölbe des an der Rückwand der Kirche liegenden letzten Jochs befindet sich der Zugang zum Dachboden, der mit einer aufgesetzten Einhausung des Ausstiegs auf Seiten des Dachbodens aus OSB-Platten (wasserfest verleimte Holzspäne) den Zugang abschließt. Zum Zeitpunkt der Begehung war diese Einhausung geschlossen.

An der Westwand der Kirche kommt es zu einem regelrechten Kamineffekt der Luftmassen (durch Temperaturdifferenzen und Auftrieb). Ob dieser Effekt dauerhaft auch eine weitere Trocknung der Wandoberfläche mit sich bringen wird?

In der Westwand befindet sich ein von innen vermauertes Fenster (Fischer, Franz in: Einzelberichte zur Denkmalpflege für die Jahre 1967-1973, Westfalen 53, 1975, 607f.), das vermutlich aufgrund der einfachen Ziegelstärke für die an der Westwand vorzufindenden kühleren Temperaturen verantwortlich ist. Mit Hygrometer (TFA 30.5011.V2) wurden hier 52 % rF gemessen bei einer Oberflächentemperatur von nur 14,8 Grad Celsius. Diese Wand strahlt kalt ab. Die Orgel nimmt diese Temperatur in ihren Bauteiloberflächen mit einer gewissen Trägheit auf.

Erfolgt nun ein höherer Feuchteeintrag in der Raumnutzung (viele Gottesdienst- oder Konzertbesucher, von den Besuchern mit gebrachte Feuchte in der Kleidung bei feuchter Witterung etc.) so schlägt sich diese Raumfeuchte als Kondensat an den noch kalten Bauteiloberflächen der Orgel ab oder (nach dem Gottesdienst) kondensiert diese Feuchte (im Gottesdienst weiter mit Luftfeuchte angereicherte) Luft, die in der Orgel „steht“ weiterhin in der Orgel, obwohl die Kirche längst wieder typische Feuchtewerte angenommen hat.
Die Luft in der Orgel ist (noch) zu feucht und erreicht mit Spitzen über 80 % rF ein Maß, bei dem der Schimmelbefall einsetzen muß.

Vorschlag der Orgelsachverständigung

*** Sofortmaßnahme *** Durch hygroskopische Trocknung mittels Substrat, das alle 3 Monate zu tauschen ist, wird dem Mikroklima in der Orgel die Feuchte über 50 % entzogen. Unter 65 % rF tritt ein Stillstand im Wachstum des Schimmelmycels ein. Bei 55 % rF trocknen die Enzyme des Mycels aus.

Auf diese Weise werden dem Schimmel die Wachstumsbedingungen entzogen. Die hygroskopische Trocknung ist unbedenklich. Das Substrat ähnelt der Zusammensetzung von Meersalz und stellt seine hygroskopische Wirkung bei 50 rF ein. Die Orgel trocknet also nicht aus!

Ein hygroskopischer Trockner (Marktpreis 9,49 EUR plus Substrat 6,49 EUR; ausreichend für 50 m3) im Mittelbau der Orgel (Hauptwerk) sollte zunächst ausreichen, um die Luftfeuchtespitzen (nach den Gottesdiensten) zu kappen.

Gegenmaßnahmen Auf längere Sicht muß die Orgel durch eine Ausreinigung vom Substrat für den Schimmelbefall, nämlich dem Staub, befreit werden.

Auch bei einem Sekundärbefall (Kategorie I) ist das Pilzmycel nicht sichtbar und muß daher entfernt werden. Die Kirchengemeinde wird aufgefordert, ein Angebot einzuholen, in dem die Inklusivkosten je Register ausgewiesen werden und so eine tragbare Bewertung der gesamten Folgekosten des Schimmelpilzbefalls ermöglicht (Vorlage erbeten).

Konservatorische Folgerungen Die Heizung (Theodor Mahr Söhne, Aachen), über Warmluftkonvektion mit vorgeschaltetem Feuchteregister, durch zwei Schächte im Bereich der Orgel (!) sollte durch ein Lüftungskonzept erweitert werden.

 

Der Klimawandel mit längeren Sommerfeuchten und höheren Niederschlagswerten ist allgemein für die Denkmalpflege, insbesondere für die Orgelpflege eine besondere Herausforderung.

Dabei sollte das Raumluftkonzept die besonderen Bedingungen in und hinter der Orgel berücksichtigen.

In der Apostelkirche bieten sich dafür interessante und kostengünstige Lösungen an:

 

Feuchte folgt stets der Wärme!

Um diesen klimatechnischen Grundsatz der Schimmelprävention befolgen zu können, ließe sich die Physik der Jahrhunderte alten Apostelkirche nutzen:

Vorschlag der Orgelsachverständigung

 

Der vorhandene Zugang im letzten Joch hinter der Orgel zum wundervollen (teilweise mittelalterlichen) Dachboden wird mit einer Regeltechnik versehen, die nach Gottesdiensten mit hohem Feuchteeintrag automatisiert die feuchte Luft aus dem Bereich der Orgel absaugt bzw. strömen läßt. Der vorhandene Kamineffekt kommt dieser Physik der Luftmassen bereits jetzt sehr entgegen.

Die Luft auf dem Dachboden wird dabei rasch durch Außenluft ersetzt. Dazu darf das locker aufliegende Tonziegeldach keinesfalls abgedichtet werden, da sonst ein Luftaustausch behindert würde. Ist die Luftfeuchte aus dem Orgelbereich durch einen Luftaustausch auf Werte unter 55 % rF gesunken, so schließt sich der Luftschacht im letzten Joch des Gewölbes automatisiert, um eine zu starke Trocknung zu verhindern (Klimaregeltechnik).

Weitergehende Vorschläge

Wir vermuten, dass die ausströmende Luft aus den beiden Warmluftschächten im Raum der Apostelkirche Luftwalzen in Gang setzt, die zu deutlich wahrnehmbaren „Fallwinden“ an der Gebäudehülle führt, über die Gottesdienst- und Konzertbesucher, die am Rand der Kirchenschiffe sitzen, auch berichten.

Ob sich diese Luftwalzen, ausgehend von der freien und chaotischen Raumluftkonvektion, durch eine andere Luftführung effektiver lenken lassen würden?

Vorschläge dazu könnte ein lüftungstechnisches Gutachten bringen (Berichterstattung erbeten), gegebenenfalls auch ein Angebot zur Erweiterung der bestehenden Warmluftanlage durch zusätzliche Warmluftschächte im vorderen Bereich der Kirche.

Aus Sicht der Orgelsachverständigung sind jedoch weitere und zusätzliche Konvektionsanteile bei der Temperierung des Bauwerks aus konservatorischen Gründen kritisch zu sehen. Wir halten eine Klimastabilisierung der Gebäudehülle, z.B. durch Temperierung nach Henning Großeschmidt für angemessener. Insbesondere die Verhinderung der Feuchte-Wand-Problematik würde so das Klima der Apostelkirche mit ihrer schönen Orgel dauerhaft vor Schimmelbefall bewahren.

Peter Ewers